Entscheiden, Entscheiden, Entscheiden

Die Baukommission steht zum zweiten Mal vor den Fassaden-Mockups – und ist sich nicht überall einig.

Entscheiden, nicht Entscheide

Die Arbeit der Baukommission besteht zu einem grossen Teil daraus, Entscheide zu fällen. In diesem Beitrag soll es nicht um die Ergebnisse dieser Entscheide gehen, sondern um die Herausforderungen im Enscheidungsprozess. Natürlich sind auch die Resultate der Entscheide von Interesse, im Moment vermutlich besonders die Entscheide zu Materialisierungen. Einige davon werden in diesem Beitrag angedeutet. Noch ist aber nicht alles in Stein gemeisselt, was hier auf den Bildern erkennbar ist. Sobald es dann so weit ist, werde ich einen Beitrag machen zum Thema Materialisierung – und von der Fassade bis zur Fussleiste jedes Detail vorstellen (oder zumindest das meiste).

Wer entscheidet was?

Fenster innen: Wie stark vergilbt das lackierte Holz? Wie sieht das wohl in 5 Jahren aus?
Wie wirkt es dann im Raum? Wie sehen eigentlich die Fussleisten aus?

Ein Bauprojekt wie unseres bedingt unglaublich vieler Entscheide. Die Kunst ist es, jedem Entscheid das richtige Gewicht beizumessen. Was kann der Zeichner des Elektroingenieurs selber entscheiden? Was der Elektroingenieur? Wo muss er die Architekt*innen beiziehen? Wann müssen diese die Projektleiterin Bau der Genossenschaft fragen? Was soll sie in den Bauausschuss oder die Baukommission einbringen? Was kann die Bauko entscheiden? Haben wir eine Grundlage? Vielleicht doch lieber die Verwaltung konsultieren? Oder müssen wir gar einen Workshop machen und alle Genossenschaftsmitglieder dazu einladen?

Und dann stellt sich natürlich auch die Frage nach den Rahmenbedingungen: Wann brauchen wir den Entscheid? Was sind die Konsequenzen, wenn er verzögert wird? Was wir im Grundsatz wollen mit unserem Gebäude, haben wir zu Beginn der Planung im Planungsleitfaden zusammengefasst. Dieser entstand in einem langen, partizipativen Prozess. Wir haben auch festgehalten, welche Kompetenzen und Aufgaben den einzelnen Gremien und Posten zukommen. Trotzdem gibt es immer wieder Entscheide, bei denen nicht klar ist, von wem sie gefällt werden müssen. – Oder bei denen wir uns nicht einig sind, in wessen Kompetenz sie fallen.

Unvollständige Entscheidungsgrundlagen

Blendrahmen, Blockrahmen, Metallzargen, oder doch Blockfutterzargen?

Eine grosse Herausforderung bei vielen Entscheiden ist, dass die Basis, auf der ein Entscheid gefällt wird, fast immer noch besser und eindeutiger sein könnte. Man hat nie alle Informationen zur Verfügung, die für einen absolut rationalen Entscheid nötig wären. Hier ein paar Beispiele:

  • Kosten: Die Kosten verschiedener Varianten lassen sich häufig nur ungefähr beziffern. Wie viel teurer Holzoberbauten in den Küchen wirklich wären, erfahren wir zum Beispiel erst, wenn sie fertig gezeichnet sind und wir Offerten von Unternehmen bekommen haben.
  • Nachhaltigkeit: Detaillierte Aussagen zur grauen Energie, die in unterschiedlichen Varianten von Bauteilen steckt, sind sehr aufwändig zu recherchieren – meistens handelt es sich demnach nur um Annäherungen. Häufig arbeitet man mit Aussagen wie: „Kunststoff ist leichter als Glas und hat einen tieferen Schmelzpunkt. Entsprechend steckt weniger graue Energie in der Lichtkuppel aus Kunststoff als in derjenigen aus Glas.“
  • Nutzung: Wir gehen davon aus, dass das Gebäude auf eine bestimmte Weise genutzt wird, vielleicht wird es aber auch ganz anders. „Werden die extra eingeplanten freien Wandflächen hinter den Zimmertüren dann auch wirklich für Schränke gebraucht?“
Entscheidungsmatrix der Planer*innen zur Frage: Welche Oberlichter über den Treppenhäusern? Kosten, Reinigung, Sichtbezug, Brandschutz, Absturzsicherung, Wärmeschutz, Lebensdauer, graue Energie. Am Schluss vor allem: Ist der klare Blick aus dem Treppenhaus in den Himmel 30’000 Franken wert? (Die Bauko meinte: Ja.)

Zu jedem Aspekt könnte jedes Mal eine Studie in Auftrag gegeben und/oder ein Workshop durchgeführt werden. Kommt dazu, dass die verschiedenen Aspekte auch zueinander in Bezug gesetzt werden müssen: Wie viel teurer ungefähr darf das Bauteil sein, wenn es dafür vermutlich eine deutlich längere Lebensdauer hat? Wie viel besser muss etwas aussehen, um den zusätzlichen Aufwand bei der Reinigung zu rechtfertigen?

Ästhetik

Die Architekten Tim Seidel und Pascal Hendrickx von BHSF haben viel Zeit in Konzepte und Entscheidungsgrundlagen investiert – und dann nochmals Zeit, um unsere Rückmeldungen wieder einzuarbeiten.

Entscheide, bei denen die Ästhetik im Vordergrund steht, sind besonders schwierig zu fällen. Rationale Abwägungen helfen nur wenig und Argumente sind schwierig gegeneinander abzuwägen.
Am Anspruch, einen Konsens in Ästethik-Fragen zu finden, sind schon viele Gruppen gescheitert. Uns ist klar, dass ein solcher Konsens nicht herbeidiskutiert werden kann, falls er nicht einfach von sich aus entsteht. Im Idealfall kann eine klare Mehrheit der Baukommission den Entwurf der Planer*innen mittragen, ansonsten kommt es zu Rückweisung mit Auftrag zur Überarbeitung – oder zu einer Abstimmung.

Die Farbe der Fenster aussen: Zu blass, wirkt bilig, viel wärmer, zu wenig Kontrast, zu grell, diverse positive und negative Assoziationen – am Schluss muss man Abstimmen.

Was dagegen hilft

Diesen sehr vielseitigen Herausforderungen begegnen wir mit breit abgestütztem Wissen und vielen Erfahrungen – sowohl in der Baukommission als auch von Seiten der Planern*innen. Für die Grundrichtung der Entscheide kann sich die Baukommissoin auf die partizipativ erarbeiteten und von der Generalversammlung verabschiedeten Grundlagen im Planungsleitfaden beziehen. Es braucht aber auch immer ein gute Portion Mut Vertrauen in die Mitstreiter*innen und genügend Gelassenheit, auch mal mit seiner eigenen Meinung zu unterliegen.
An einigen Ecken des Hauses wird sich erst in Zukunft zeigen, ob wir richtig entschieden haben – und bei vielen Punkten werden wir nie wissen, ob es nicht doch noch ein bessere Lösung gegeben hätte.