Bestand erhalten: Lohnt sich das?

An der Güterstrasse steht im Moment nur noch ein Betonskelett mit vielen Löchern drin. Immer wieder kommt die Frage auf: Wäre es nicht einfacher/günstiger/besser/nachhaltiger gewesen das Gebäude komplett abzureissen und neu anzufangen?

Was bleibt, was kommt weg?

Mit dem Schieber kannst du zwischen dem Foto des übrig gebliebenen Bestands und der Visualisierung des fertigen Gebäudes wechseln. Die Ruine wird aufgestockt und bekommt ein neues Kleid. Visualisierung Fassade: BHSF Architekten

Lohnt sich das? Schwierige Frage

Neben der Fassade und dem Silo wurden auch alle inneren Wände und Einbauten entfernt.

Ich hab mich sehr schwer getan mit dem Schreiben dieses Beitrags, das Thema ist komplex. Die Frage ist hypothetisch, absolut berechtigt, sehr vielschichtig und nicht abschliessend zu beantworten – mal abgesehen von der Antwort «der Erhalt war eine städtebauliche Vorgabe, wir hatten keine Wahl».

Ein grosses Problem bei dieser Frage ist: Mit was vergleichen wir den geplanten Ist-Zustand? Beim Planen eines Neubaus wären uns 3.6 und 4.6 Meter Raumhöhe für Wohnungen nicht mal im Traum in den Sinn gekommen, und auch 24m Gebäudetiefe, wie im jetzigen Bestand hätten wir wohl nicht geplant. Die Kellergeschosse wären bei einer neuen Planung selbstverständlich auch massiv kleiner ausgefallen. Ein Vergleich mit einem gleichartigen Neubau ergibt also keinen Sinn.

Auch ein Vergleich mit einem «vernünftigen» Neubau am selben Ort ist schwierig. Die ökologischen und ökonomischen Kosten für den Rückbau müssen einbezogen werden – wir könnten ja auch dann nicht auf der grünen Wiese bauen.

Ich habe trotzdem versucht ein paar Aspekte zusammenzutragen und hier darzulegen.

Zahlen

Ich habe bei den Zahlen den Schwerpunkt auf Beton gelegt. Es sind natürlich auch ganz viele andere Materialien in den Rück- und Aufbau involviert, aber Beton macht beim Erhalt des Bestandes sicher den grössten Brocken aus. Die Zahlen sind aus verschiedenen Quellen und nicht unbedingt präzise, insbesondere die Menge Betonabbruch ist noch nicht sehr präzis.

in Tonnenin Kubikmeter
Beton der stehen bleibtca. 21’250ca. 8’500
Beton der abgebrochen wirdca. 5’000ca. 2’000
Beton der neu eingebaut wirdca. 9’250ca. 3’700

Auch wenn es aussieht als ob nicht viel stehen bleibt, ist dem also nicht so. Viel Beton ist natürlich auch in den Fundamenten und Untergeschossen verbaut und nicht auf den ersten Blick sichtbar.

Hier doch noch ein paar weitere Zahlen zum Ausmass des Rückbaus anderer Materialien.

Metalle200 Tonnen
Inertstoffe (v.a. Backstein)2000 Tonnen
Gips/Leichtbausteine90 Tonnen
Altholz200-500 m3

Überlegungen

Da auch die aussteifenden Kerne entfernt wurden, muss das Skelett temporär mit Baumstämmen stabilisiert werden.

Laut unserem Bauphysiker Pius Leuba (Grolimund+Partner) konnten wir mit dem Aushub und den Fundamenten, die wir übernommen haben, sehr viel graue Energie einsparen. Geschmälert wird die Einsparung durch die betonierten, neuen Treppenhauskerne, welche wegen der Erdbebenertüchtigung des Gebäudes sehr massiv sein müssen. Die hohen Geschosse ergeben bei allen Innen- und Aussenwänden grössere Flächen, das braucht mehr Material, also auch mehr Energie in der Herstellung. Ob der Erhalt wirklich ein Gebäude mit einem kleineren ökologischen Fussabdruck ergibt als ein vernünftiger Neubau mit gleich viel Wohn- und Gewerbebau? Schwer zu sagen.

Das selbe gilt für die Kosten. Wir haben uns Kostenziele gesetzt und mussten in der Planungsphase hart Sparpotentiale suchen. Die Mieten sind vertretbar, aber es gibt Beispiele die zeigen, dass Neubauten günstiger (pro m2 Wohnfläche) sein können als unser Umbau. Wäre das aber auf unserm Baufeld möglich gewesen? Und welche Qualitäten bieten wir zusätzlich mit unserem Umbau?

Der Erhalt des Bestandes bringt klar Qualitäten. Wir ziehen in ein Haus mit Geschichte, das Gebäude wird weiterhin die Proportionen eines Industriebaus haben, auf Seite Güterstrasse erinnern die Lieferrampe und im Innern die dicken Säulen an die Nutzung als Lagerhaus. Viele von uns haben in dem Haus vor dem Umbau als Zwischennutzer*innen schon unzählige Sitzungen abgehalten, Feste gefeiert und auch gearbeitet.
Die hohen Räume bieten Wohnqualität die wir uns in einem Neubau nicht geleistet hätten und die Gebäudetiefe führt zu Grundrissen die mehr Platz für Stauraum (Reduits!) bieten.

Fazit

Praktischerweise können wir uns ja auf die Vorgaben des Städtebaulichen Wettbewerbs berufen und müssen die Verantwortung für den Entscheid, das Gebäude stehen zu lassen, nicht alleine tragen. Die Würfel sind sowieso schon lange gefallen, es gibt kein Zurück. Ich persönlich bin froh, dass wir gezwungen sind diesen Umbau zu wagen. Der Bestand garantiert, dass wir unkonventionellen Wohnraum schaffen und nicht aus Vorsicht plötzlich mit einem durchschnittlichen Neubau enden.

Für die, die noch mehr «Was wäre wenn…» Fragen diskutieren wollen: Hätten wir das Gebäude auch mit sehr sanften Umbaumassnahmen in guten, nachhaltigen Wohnraum verwandeln können? Einiges spricht dagegen, spannend ist die Frage trotzdem.

Was meint Ihr?

Ich würd mich auf Meinungen, Fragen und Diskussionen in der Kommentarspalte freuen. Schreibt was ihr zu diesem Thema denkt!

Fotos: Daniel Kaufmann

Abbruch altes Treppenhaus

Schon bald sind die Abbrucharbeiten beendet. Aktuell wird das alte Treppenhaus abgebrochen. Das sieht spektakulär aus, weil nun auch im Innern des Gebäudes ein grosses Loch entsteht. Und dann wird anfangs Januar noch der untere Teil des Silos abgebrochen.

Parallel dazu ist der Baumeister in den unteren Geschossen fleissig am betonieren. Es werden die ersten Räume und die Velorampe erkennbar.

Hier wird Anfang nächstes Jahr der neue Treppenhauskern betoniert.
Vorher muss der Bagger aber noch weiter am Beton knabbern…
…so wird diese Treppe nächste Woche verschwunden sein.

Abbruch Silo

Vom Silo ist der obere Teil komplett abgebrochen.

Neues entsteht im 2. Untergeschoss

Die Armierung für die Velorampe wird vorbereitet.
Hier entsteht ein Quartierraum. Die Wände links und rechts sind bereits neu betoniert.
Video

Abbruch Silo

Im November 2019 wird das alte Kakaobohnensilo der Chocolat Tobler komplett abgerissen. An seiner Stelle werden später die neuen Split-Level-Wohnungen entstehen. Da wir neue Geschosse betonieren müssen, nutzen wir die Gelegenheit und werden diese gegenüber dem Bestand mit normalen Raumhöhen bauen.

So werden ab Herbst 2021 die Bewohner*innen der grossen Kind & Kegel-Wohnung im Erdgeschoss (mit einer Raumhöhe im Bestand von 4.60m!) über eine Treppe einen halben Stock höher ins obere, als auch einen halben Stock tiefer ins untere Split-Level steigen können.

Im 1. und 2. Obergeschoss mit Raumhöhen im Bestand von noch je 3.60m werden etwas kleinere Split-Level Wohnungen gebaut. Hier werden die Bewohner*innen jeweils einen halben Stock höher oder tiefer steigen können.

Die Split-Level Wohnungen werden wir bestimmt in einem späteren Blogbeitrag genauer vorstellen. An dieser Stelle werden erst mal Impressionen den Abbruch gezeigt.

Schiebe den Slider nach links und rechts, um den Unterschied zu sehen.

Abbruch Fassade

Am Samstag, 9. November wurden die letzten Fassadenelemente vom 1. und 2. Obergeschoss abgebrochen. Ein grosser Greifbagger hat die Fenster gepackt und in den Arealhof geschmissen – das ging Ruck-Zuck. Nun ist die ganze Fassade zum Arealhof bereits verschwunden.

Einmal greifen und weg damit. Der Abbruch der Fassade vom 1. und 2. Obergeschoss dauerte bloss einen Vormittag lang.

Beim Silo wurden zudem alle Eternitplatten demoniert. Dazu wurde eigens ein Gerüst aufgebaut, welches schon wieder abmontiert wird, damit gegen Ende November ein noch grösserer Bagger das Silo abbrechen kann. 😃

Video

Ein kurzes Zeitraffervideo zeigt dir den Fortschritt aus den letzten Wochen. Ich werde es später mit dem Silo-Abbruch ergänzen.

Provisorische Stützen und neue Einblicke

Baumstämme um das Silo im 2. Obergeschoss.

Ein provisorischer Wald

Im Moment werden rund 140 Baumstämme rund um das Treppenhaus und das Silo über alle Stockwerke verteilt eingebaut, um das Gebäude während des Abbruchs zu stabilisieren. Ein solcher Baumstamm kann bis zu 20 Tonnen Gewicht aufnehmen. Das ist mehr als dem bestehenden Unterlagsboden zugetraut wird: dieser wurde im Bereich der Stützen entfernt, die Bäume wurden direkt auf der Betonplatte mit Keilen fixiert und das Loch mit Zement ausgegossen. So bleiben die Stämme auch bei den erwarteten Erschütterungen da wo sie hingehören.

Stadtbachkanal ist abgebrochen

Der Bagger mit der Beisszange zerkleinert Reste des Stadtbachkanals. Von oben hängt ein „Balkon“ ins Bild, welcher im 1. OG als Plattform für Schuttmulden diente.

Der hofseitige Vorbau der Güterstrasse 8, in welchem auch der ehemalige Kanal des Stadtbachs verläuft, wurde abgebrochen. Im Moment wird an einem Durchbruch weiter ins 3. UG gearbeitet, damit Material für erste statische Wände mit dem Kran eingebracht werden kann. Jetzt lässt sich schon die Dimension der Arkade im oberen Hofgeschoss und die Situation mit den Lichthöfen im unteren Hofgeschoss erahnen.

Blick aus dem 2. UG (Unteres Hofgeschoss) Richtung Hof. Die Lichthöfe werden fast zwei Stützenabstände lang und etwa doppelt so tief wie der Abstand von der Stütze zur äusseren Mauer.

Der Rückbau beginnt

Der Kies und die Isolation auf dem Flachdach sind abgetragen, im Hintergrund das eingerüstete Silo.

Es ist einige Zeit vergangen seit dem letzten Beitrag auf dem Baublog. Jetzt geht es aber wirklich los auf der Baustelle und wir werden regelmässiger berichten. Ich war heute auf der Baustelle, habe mit dem Bauleiter geredet, ein paar Fotos gemacht und nasse Füsse bekommen.

Das Titelbild auf dem Blog ist übrigens seit kurzem ein Livebild von der Baustelle! Die ISGH hat auf dem Gebäude der SBB an der Bahnstrasse eine Kamera installieren lassen. Hier gibt es zudem einen Zugang zu den Bildern mit Archiv.

Die Schadstoffsanierung geht weiter

Der kleine Riss im Vordergrund ist eine fachgerecht entfernte Fuge, die Asbest enthielt. – Davon sind in den Untergeschossen 2 km aufgetaucht.

Trotz intensiven Schadstoffuntersuchungen vor Baubeginn sind während den Rückbauarbeiten (natürlich) noch zusätzliche Materialien aufgetaucht, die im Labor untersucht werden mussten. Glücklicherweise hielten sich aber die negativen Überraschungen bis jetzt im Rahmen. In den Untergeschossen wurden Fugen im Beton gefunden, die Asbest enthalten. Deren Entfernung lässt sich jedoch nach diversen Versuchen und Abklärungen mit der Suva nun relativ einfach umsetzten. Es war sehr wichtig, eine einfache Lösung zu finden, es gab nämlich 2 km dieser Fugen in den Untergeschossen…

Die Eternitplatten, die das Silo einkleiden, müssen sorgfältig demontiert werden, da sie asbesthaltig sind.

Dass die Eternitplatten, welche das Silo verkleiden, asbesthaltig sind, war von Beginn an klar. Die Platten werden im Moment sorgfältig demontiert, auf Paletten gestapelt und fachgerecht entsorgt. Dafür musste das Silo extra eingerüstet werden. Das Gerüst wird danach wieder abgebaut, um den grossen Abbruchmaschinen Platz zu machen.

Abbrucharbeiten

Im 1. Obergeschoss sind die meisten Innenwände schon entfernt.

Während von aussen noch nicht viel zu sehen ist, wurde das Gebäude im Innern schon ziemlich leergeräumt. Fast alle Trennwände und Einbauten sind schon weg. Für das Wegbringen des Materials konnte sich der bestehende Warenlift ein letztes Mal nützlich machen. Der Warenlift und die grosse Lieferrampe vor dem Haus erleichtern die Logistik natürlich ungemein.

Im Erdgeschoss werden die Wände in Richtung des zukünftigen Innenhofs entfernt.

Im Moment beginnt der Rückbau der Fassade im Erdgeschoss, in den nächsten Tagen folgt der hofseitige Anbau mit dem ehemaligen Stadtbachkanal. Bis jetzt wurden nur Bauteile entfernt, die statisch keine Rolle spielen. Bevor das Silo und die Treppenhauskerne entfernt werden können, muss das Gebäude ausgesteift werden. In den Untergeschossen werden ab nächster Woche erste definitive Wände betoniert und die Obergeschosse werden mit Baumstämmen abgestützt. Mitte November wird einer der grössten Bagger der Schweiz angeliefert, um das Silo abzubrechen. Wir werden hier sicher davon berichten.

Vorbereitungen und Schadstoffsanierung

Vor dem Silo erhöht die Abbruchfirma das Terrain, damit ihre Maschinen das obere Ende des Silos erreichen können.

Aktuelles von der Baustelle

Vor gut drei Wochen haben die Arbeiten an der Güterstrasse 8 begonnen, noch sieht man keine grossen Veränderungen. Bevor es dann richtig losgeht mit dem Abbruch müssen verschiedene Vorbereitungsarbeiten gemacht werden:

Wasser und Strom für die Baustelle

Die Stromversorgung der Baustelle ist keine Kleinigkeit…

Als Vorbereitung der Abbrucharbeiten mussten Wasser und Strom im Gebäude ausgeschaltet und sämtliche Wasser- und Heizungsleitungen entleert werden. Für die Strom- und Wasserversorgung der Baustelle wurden Provisorien errichtet. Eine provisorische Stromversorgung in einem so grossen Gebäude ist natürlich ziemlich aufwändig. Im Treppenhaus und den Kellergeschossen musste zusätzlich auch noch eine provisorische Beleuchtung installiert werden und der grosse Warenlift wurde ebenfalls wieder in Betrieb genommen.

Schadstoffsanierung

Eine Schleuse mit vier Kammern und Dusche trennt den Bereich im EG in welchem asbesthaltige Böden entfernt werden müssen von der Aussenwelt.
Orange Tags: Bauarbeiter warnen vor Asbest
Alle anderen Farben: Sprayer markieren ihr Revier

In den Sechzigerjahren, als die Güterstrasse 8 gebaut wurde, wurde die Wunderfaser Asbest in allen möglichen Baustoffen verwendet. Mittlerweile ist bekannt das Asbestfasern für schwere Krankheiten verantwortlich sind. Solange die asbesthaltigen Bauteile nicht verändert wurden ging keine Gefahr von ihnen aus, für den Abbruch müssen sie nun aber unter grossen Sicherheitsmassnahmen entfernt werden. Asbest findet sich in unserem Haus in kleinen Bereichen in Bodenbelägen, Isolationen, Sicherungskästen, Abdichtungsfugen und im Fliessenkleber. Neben Asbest gibt es auch einige Bauteile welche mit Schwermetall und anderen Schadstoffen belastet sind. Wenn die Sanierung abgeschlossen ist haben wir ein „sauberes“ Gebäude für einen sicheren Umbau und eine Grundlage für ein gesundes Wohnklima in Zukunft.